Bericht vom LBWL-Orchesterseminar 2023

Interview mit der Geigerin und Seminarteilnehmerin Lilian Scheliga und Bericht vom Orchesterseminar in Weikersheim vom 18. bis 21. Mai 2023.

Interview mit der Geigerin und Seminarteilnehmerin Lilian Scheliga

Sonja Honold (SH): Du bist ja professionelle Geigerin und hast eine feste Stelle beim Stuttgarter Opernorchester. In Deiner Freizeit spielst du dann solch herausfordernde Solopartien. Das zeigt ja schon, wie sehr Du Musik liebst. Was bedeutet Dir klassische Musik?

Lilian Scheliga (LS): Die Musik ist für mich tatsächlich nicht nur mein Job, sondern ist auch immer mehr eine Art Ausgleich und Therapie geworden. Ich spiele oder höre Musik wenn es mir gut geht, aber sie bringt mich auch durch unangenehme Zeiten. Ohne Musik und meine Geige fehlt mir etwas, was ich durch nichts anderes ersetzen kann.

SH: Wie schwierig war es für Dich, den wirklich virtuosen Solopart einzustudieren? Wieviel Zeit hast du täglich dafür geübt? Hast Du noch Violinunterricht oder bringst du Dir solch schwere Parts selbst bei?

LS: Ich habe mich sehr auf diesen einzigartigen Part gefreut! So ungefähr einen Monat vor dem Projekt habe ich immer mal wieder daran gearbeitet und natürlich einige Aufnahmen angehört um das Stück besser kennen zu lernen. Ich lerne viel übers Hören und dann über das Ausprobieren und die Klangsuche. Bis ich die richtigen Klangfarben für verschiedene Stimmungen gefunden habe ist das manchmal ein Prozess. Ich nehme immer mal wieder auch Geigenstunden um mich neu inspirieren zu lassen. An der Scheherazade habe ich allerdings alleine gearbeitet.

SH: Du widmest der Musik also sehr viel Zeit. Wird die Musik da nicht ab und zu ein wenig zu anstrengend für Dich? Was machst du sonst noch gern in Deinem Leben?

LS: Die Musik an sich wird eigentlich nicht anstrengend, aber das Geigenspiel ist an sich natürlich eine körperlich extrem fordernde Tätigkeit. Sport zum Ausgleich ist da also ein Muss. Jetzt im Sommer gehe ich gerne joggen um alles zu lockern und um den Kopf frei zu bekommen. Ansonsten lese ich sehr gerne, vor allem Klassiker, verbringe Zeit mit meinen zwei Katzen oder mache lange Spaziergänge im Grünen.

SH: Was hat Dich an der Violinstimme "Scheherazade" besonders gereizt? Welche anderen Soli hast du schon gespielt? War dieses anders als die anderen? Was hat Dir an der Komposition besonders gut gefallen?

LS: Besonders an der Solostimme ist, dass die gleiche Melodie über die Sätze hinweg immer und immer wieder kommt, eben der rote Faden der Märchenerzählerin. Mal ist diese Melodie träumerisch, mal wild, mal verspielt, mal als große Kadenz, mal nur als kleiner Einwurf. Das gibt einem viele Möglichkeiten seine Fantasie spielen zu lassen. Und dadurch dass es nicht ein langes Solo ist, sondern viele kurze, hat man mehrere Chancen, wenn etwas nicht so geklappt hat, wie man es wollte.

SH: Du stellst mit Deiner Geige eine besondere Frauenrolle dar, also spielt durchaus Musik die durchaus besondere fremdartige Züge hat. Es ist eine fantasievolle Frau, die es schafft, mit Geschichten den mächtigen König von Gewaltausübung gegen Sie abzubringen. Ist Dir das leichtgefallen oder wie hast du es geschafft, diese extrem schwierigen Töne auf Deiner schönen Geige so gut zu präsentieren?

LS: Ich bin ein großer Fan von Märchen. Ob die Gebrüder Grimm, Beatrix Potter oder Rafik Schami, ich habe ihre Erzählungen von klein auf geliebt und verschlungen, deshalb war diese Art von Solostimme genau meins. Ich habe dabei versucht mir eine Spontanität zu bewahren und jedes Mal ein klein bisschen etwas anderes auszuprobieren. Sich von der Technik und den Tönen zu lösen und in erster Linie gestalten zu wollen hilft mir dabei sehr.

SH: Was spielst du für ein Instrument, das hat so schön geklungen, auch in den höchsten Lagen?

LS: Ich spiele eine alte italienische Geige von 1730, darauf zu spielen ist für mich ein absolutes Privileg und eine Inspiration an sich!

SH: Wie hast du die Arbeit mit dem Dirigenten Alexander Adiarte empfunden. Du kennst ihn ja schon länger. Gab es etwas, was du dazu mitteilen möchtest?

LS: Unter Alexander Adiarte habe ich ja tatsächlich schon mit zwölf Jahren im Kammerorchester der Musikschule Stuttgart gespielt, er hat mich also quasi aufwachsen sehen! Die Arbeit mit ihm ist mir sehr vertraut und diese Vertrautheit hat sich auch bei dieser Arbeitsphase wieder darin gezeigt, dass wir kaum diskutieren müssen, offen sind für die Ideen des anderen und die Verständigung sehr natürlich und unkompliziert funktioniert. Gerade in der Konstellation zwischen Dirigent und Konzertmeister, die sonst häufig von viel Ego dominiert wird, ist das unheimlich angenehm und schafft eine Atmosphäre in der man sehr frei musizieren kann.

SH: Wie hast du das Orchester empfunden? War es für Dich angenehm, mit Laien zu musizieren? Was ist anders als beim Musizieren mit Profis?

LS: Ich bin immer wieder aufs Neue begeistert von der unglaublichen Ausdauer und Motivation der Seminarteilnehmenden so viele Stunden am Tag zu proben und an die eigenen Grenzen zu gehen um ein schönes Konzert möglich zu machen. Das ist etwas, was man als Berufsmusiker nicht jeden Tag erlebt. Wie das Orchester dabei innerhalb von so kurzer Zeit als Ganzes zusammenwächst finde ich dabei besonders spannend. Toll finde ich außerdem, dass beim Seminar nicht nur das Ziel, sondern vor allem der Weg dahin, eben die gemeinsame Probenarbeit, so zelebriert wird.

Die Interviewte ist die Geigerin Lilian Scheliga, die bei dem diesjährigen Konzert des Orchesterseminars des Landesverband Baden-Württembergischer Liebhaberorchester e.V. den Solopart in der „Scheherazade“ spielte, einer Sinfonischen Suite in e-Moll von Nikolaj Rimski-Korsakow. Sie wird auch beim nächsten Orchesterseminar als Dozentin für die Violinen beim schönen neuen Programm zuständig sein und wieder mit nach Weikersheim kommen. Das Interview führte Sonja Honold, Teambratsche, die ebenfalls bei dem schönen Konzert im Tutti mitwirkte.

Bericht vom Orchesterseminar in Weikersheim vom 18. bis 21. Mai 2023

Es ist immer wieder ein Erlebnis, in der musikalischen Bildungsstätte zu einem musikalischen Workshop zusammenzukommen. Die schöne Landschaft, die komfortablen Zimmer, dazu eine gute Bewirtung und natürlich die netten und musikinteressierten Teilnehmer/innen; allem voran die große musikalische Herausforderung, in drei Tagen ein ganzes Konzertprogramm einzustudieren, das sind einfach gute Voraussetzungen, um dann auch schöne Probe- und eine tolle Orchesterfreizeit zu erleben.

So auch in diesem Jahr: Im Wonnemonat Mai an Christi Himmelfahrt war es wieder so weit: Musikinteressierte aus Laienorchester in ganz Baden-Württemberg und allen Teilen Deutschlands, ja sogar aus Schweden kamen zusammen, um miteinander das zu proben und aufzuführen, was sie vorher daheim ausführlich geübt hatten. Denn die Noten werden immer rechtzeitig an die Seminarteilnehmer/innen verschickt. Geiger/innen, Holzbläser/innen, Bässe und Blech, Harfe und „Schlagwerk“, Celli und Bratschen, das Orchester des Landesverbandes Baden-Württembergischer Liebhaberorchester ist groß, ja es hat geradezu eine sinfonische Besetzung. Und so können hier auch in besonderer Weise Werke geprobt, gespielt und im Konzert aufgeführt werden, die anspruchsvoll sind und welche man als Amateurmusiker vielleicht im Heimatorchester noch nicht gespielt hat, aber gerne mal spielen würde.   In diesem Jahr waren dies die Ouvertüre zu der schönen und beliebten Oper „Fliegender Holländer“ von Richard Wagner sowie die ebenfalls beliebte und bekannte Sinfonische Suite in e-moll op. 35 „Scheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow. Im Gärtnerhaus und Prinzessinnenbau starteten die Proben: Jeanette Englmann und Lukas Knapp, die ehrenamtlichen Organisatoren des Orchesterseminars beim LBWL hatten wieder in vorbildlicher Weise dafür gesorgt, dass alles so gut klappte: Die Probenräume kennzeichnen, die Dozenten anschreiben und einladen, das Haus buchen, das sind nur einige der vielen Aufgaben, die diese beiden selbst in der Geige tätigen Organisatoren für den LBWL freundlicherweise auf so gute Weise tun und wofür Ihnen auch hier nochmals sehr gedankt werden soll.

Hier folgt für die Interessierten nochmal ein kurzer Bericht von unserem erfolgreichen Orchesterseminar und dem Konzert:

Nach der Ankunft am Mittag trafen sich die Seminarteilnehmer/innen am ersten Tag im schönen Schloss von Weikersheim zu den ersten Sektionsproben im Gärtnerhaus und Prinzessinnenbau. Dirigent Alexander Adiarte war aber noch terminlich verhindert, deshalb fanden die ersten Proben mit den eigens dafür angereisten professionellen Dozenten in den Stimmgruppen statt. Diese kleine Änderung wurde von vielen Teilnehmern durchaus begrüßt. Denn nun konnten sich alle Teilnehmer gemeinsam mit einem professionellen Instrumentalisten schon einen ersten guten Überblick über die dann später im großen Orchester geprobten Stücke verschaffen. Fragen zum Strich, Fingersätze, musikalische Gestaltung, vieles konnte hier in freundlicher Atmosphäre und mit professioneller Hilfe gut geklärt werden. Beim leckeren Abendessen wurde dann gemeinsam gegessen, entspannt geplaudert und viele neue Kontakte mit alten Bekannten geknüpft. Eine weitere Registerprobe folgte und der erste Tag klang aus mit einem gemütlichen Beisammensein mit Bier und Wein im urigen Schlosskeller.

Am zweiten Tag war dann die erste Probe mit dem inzwischen angekommenen und gut disponierten wohlgelaunten Dirigenten Alexander Adiarte im Tutti. Streicher, Holzbläser und Schlagwerk probten im Gärtnerhaus. Dabei auch die talentierte und sympathische Geigerin und Profimusikerin Lilian Scheliga, die das Orchester sogleich begeisterte und mit Ihrem schönen Geigenspiel alle sehr motivierte und auch einen exotischen Vorgeschmack auf das am Sonntag geplante Konzert bot. Das Blech probte im Prinzessinnenhaus im Schloss. Danach gab es dankenswerterweise wieder wie im letzten Jahr die Gelegenheit zum Yoga, geleitet von Tobias Reck, der es wieder sehr gut gestaltete und bei so manchem erschöpften Teilnehmer neue Lebensenergie weckte. Am Nachmittag erfolgte die nächste Tuttiprobe und das Abendessen. Der Abend gehörte aber wieder den beiden schönen, aber durchaus schwierigen Werken. Danach war noch Freizeit und man konnte in der Stadt flanieren und im kühlen Schlosskeller noch den Durst stillen.

Den Samstag begannen einige Yogabegeisterte gleich mit einer Yogasession, wieder von Tobias Reck umsichtig geleitet. Nach dem Frühstück wurde weiter geprobt. Inzwischen war der Gesamtklang schon sehr gut und es ging noch um einige Übergänge, Tempi oder Schwierigkeiten mit Intonation und Gestaltungsfragen. Aber im Orchester gab es bei allen Stimmgruppen schon eine gute musikalische Basis, dies konnte der Dirigent bestätigen. Und dieser gute Probenerfolg erzeugte auch bei allen Musizierenden plus Dirigenten und Solistin eine hohe Motivation und vor allem aber auch ein Gefühl der Vorfreude und Spannung für das Konzert am Sonntag.

Der Sonntag mit Konzertereignis in der Wandelhalle in Bad Mergentheim:

Gleich morgens stand so mancher/manche mit dem kribbeligen Gefühl im Bauch auf, heute spielen wir das Konzert in Bad Mergentheim. Nochmal ein gutes Frühstück und kurzer Plausch mit den Musikerkollegen und Zimmer räumen, Koffer packen. Dann ging es schon zur Generalprobe. Diese klappte auch recht gut, einige organisatorische Dinge wie Weg zur Wandelhalle und Transport der Instrumente sowie Konzertkleidung wurden noch besprochen, dann zügig Mittagessen. Um 14 Uhr war in der Wandelhalle ja bereits die Anspielprobe. Viele kamen schon in Ihrer dunklen, eleganten Konzertkleidung und gewöhnten sich noch schnell an die Akustik und Atmosphäre dort. Denn es ist durchaus nochmal ein Unterschied, im Schloss oder in der Wandelhalle zu spielen. Ja, und dann kamen schon die ersten Konzertbesucher. Das Wetter war strahlend schön und sonnig, ein wenig warm vielleicht. Aber alles klappte dann wie am Schnürchen und der Dirigent hielt, wie im letzten Jahr, eingangs eine kurze Ansprache mit Erklärungen zu den beiden Werken und seiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Orchester des Baden-Württembergischen Landesverbands. Das Publikum hörte interessiert zu und war auch sichtlich gespannt auf die mit Witz, Genialität und viel Liebe einstudierten beide Werke. Dass bei der schnellen und technisch schwierigen Ouvertüre zum Fliegenden dann nicht alle Läufe genau stimmten, fiel in dieser netten Atmosphäre nicht so auf, denn das Gesamtergebnis, ein engagiertes Orchester und ein engagierter Dirigent, die gemeinsam die Kur- und Sommergäste begeisterten und einen guten und schönen Klang erzeugten, stimmte. Bei der nächsten Komposition, der Scheherazade, kam durch die großartige Interpretation des Soloparts durch Lilian Scheliga*, die auf Ihrem wunderbaren Instrument, einer alten italienischen Geige einen warmen Soloklang verströmte, richtige Begeisterung für das Orchester auf. Das Publikum nahm Anteil an der genialen Komposition des russischen Komponisten und ging vom Hörgenuss befriedigt wieder nach Hause. Und auch die Teilnehmer/innen, allen voran das Organisatorenteam und der Dirigent sowie Traute Schansker, die Vorsitzende des LBWL und selbst Violaspielerin mit allen- anderen Mitwirkenden des erfolgreichen Orchesterseminars machten sich ein wenig wehmütig, aber sehr zufrieden über das geglückte Konzert, wieder auf den Heimweg. Und werden dann hoffentlich auch im nächsten Jahr dabei sein, wo das 40 - jährige Jubiläum des LBWL stattfindet und ja auch der 100 - jährige Geburtstag des BDLO mit neuen Herausforderungen gebührend gefeiert werden wird.

Sonja Honold